Ein lispelnder Schauspieler – geht das?

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Quelle: www.flickr.com/photos/gageskidmore/36078959021/
By Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America

 

Trotz seiner Krankheit und dem dadurch verursachten Lispeln spielt der Schauspieler Gaten Matarazzo in der Serie „Stranger Things“ eine Hauptrolle.

Schauspieler müssen vielfältige Fähigkeiten mitbringen: unter anderem Einfühlungsvermögen, Beobachtungsgabe und eine deutliche Aussprache – könnte man meinen.

Dass der letzte Punkt keine zwingende Voraussetzung ist, zeigt ein 15-jähriger Jungschauspieler der US-Serie „Stranger Things“, deren zweite Staffel im Oktober 2017 angelaufen ist. Gaten Matarazzo spielt darin den Schüler Dustin, der wegen seinen fehlenden Schneidezähnen und der verwaschenen Aussprache ausgelacht wird.

Nicht nur die Filmfigur, auch der Schauspieler selber ist von kleidokranialer Dysplasie betroffen (kleido = Schlüsselbein, kranial = kopfwärts gelegen, Dysplasie = Fehlbildung, Unterentwicklung). Die Krankheit beeinflusst das Knochen- und Zahnwachstum. Sie beinhaltet unter anderem ein unterentwickeltes – oder wie in Matarazzos Fall gar nicht vorhandenes – Schlüsselbein, was sich auf das Wachstum der Zähne auswirkt. Sie wachsen entweder fehlausgerichtet oder überhaupt nicht. Betroffene müssen sich mehreren Operationen unterziehen.

Gaten Matarazzo wurde aufgrund seiner sicht- und hörbaren Einschränkungen für viele Filmrollen abgewiesen, bevor er in „Stranger Things“ eine Hauptrolle erhielt. Nun möchte er das Bewusstsein für seine seltene Krankheit erhöhen, zum Beispiel indem er Pullover und T-Shirts verkauft, deren Erlös an Menschen mit kleidokranialer Dysplasie gehen. Auf den Kleidungsstücken ist eine Comicfigur mit charmantem Zahnlückenlächeln abgebildet.

Die Krankheit wird in der Serie nur einmal kurz erwähnt. In der entsprechenden Szene lachen ein paar Mitschüler Dustin deswegen aus. Er kontert damit, dass seine Zähne noch wachsen würden. Er habe eben kleidokraniale Dysplasie. Ob das reicht, um das Bewusstsein dafür bei den Zuschauern – die nicht Logopädinnen sind – zu erhöhen, ist fraglich.

Andererseits nimmt die Krankheit dadurch nicht zu viel Raum ein. Sie definiert den Filmcharakter nicht, sondern ist einfach „auch noch da“. Dustin wird als intelligenter, sozialkompetenter und humorvoller Jugendlicher dargestellt, dessen Einschränkungen sein Leben nur am Rande beeinflussen; weit entfernt von der stereotypen Darstellung des lispelnden Dummkopfs, die es leider auch gibt.

Ich wünsche mir, dass mehr kranke oder behinderte Menschen eine Chance erhalten, wie die Produzenten von „Stranger Things“ sie Matarazzo gegeben haben. Dazu beitragen könnten mehr Filmfiguren wie Dustin. Das Handicap sollte dabei nicht im Zentrum der Handlung stehen oder die Person definieren, denn das tut es im richtigen Leben ja auch nicht.

Meret Blatter

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